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Nachrichtenmosaik Ukraine Folge 131

January 30, 2015
Source
der Freitag

Ukraine Gesammelte Nachrichten und Informationen zu den Ereignissen in der Ukraine und deren Hintergründen, ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit und fast ohne Kommentar

Ein Nutzerbeitrag von Hans Springstein

• Agrarkonzerne übernehmen ukrainische Landwirtschaft
Auf die westlichen Interessen im Konflikt in der Ukraine macht Frédéric Mousseau, Policy Director des Oakland Institute, in einem Beitrag aufmerksam, den die Nachrichtenagentur Inter Press Service am 27.1.15 veröffentlichte. Mousseau erinnert daran, dass die westlichen Regierungen, während sie die Sanktionen gegen Russland verschärfen, der Kiewer Regierung wiederholt ihr Vertrauen ausgesprochen haben und Hilfsgelder in Milliardenhöhe zusagten. Auch die Übergabe dreier Ministerien in Kiew an ausländische Staatsbürger, die schnell eingebürgert wurden, darunter die neue Finanzministerin Natalie Jaresko, sehe aus wie die Übernahme der ukrainischen Wirtschaft durch westliche Interessen und deren Vertreter. Das Oakland Institute habe in zwei Studien – "The Corporate Takeover of Ukrainian Agriculture" und "Walking on the West Side: The World Bank and the IMF in the Ukraine Conflict" – diese Übernahme für die ukrainische Landwirtschaft nachgewiesen.
Mousseau erinnert an den Beginn des Konfliktes im Herbst 2013, als der damalige Präsident Wiktor Janukowitsch das EU-Assoziierungsabkommen stoppte. Nach seinem Sturz und nachdem eine pro-westliche Regierung in Kiew installiert wurde, habe der IWF ein Reformprogramm für die Ukraine aufgelegt, um private Investitionen in dem Land zu fördern. Die ukrainische Landwirtschaft sei ein "bevorzugtes Ziel" für solche Investitionen und werde deshalb vom IWF und der Weltbank als vorrangigen Bereich für Reformen behandelt. Beide Institutionen würden die Reformbereitschaft der Kiewer Führung loben.
"Die Einsätze rund um den riesigen Agrarsektor der Ukraine - der weltweit drittgrößte Exporteur von Mais und fünftgrößteExporteur von Weizen - könnten nicht höher sein. Ukraine ist für seine umfangreichen Felder an reichem Schwarzerdebodenbekannt, und das Land verfügt über mehr als 32 Millionen Hektarfruchtbaren Ackerland - das entspricht einem Drittel der gesamtenAckerfläche in der Europäischen Union." Das Ringen um die Kontrolle über das Landwirtschaftssystem des Landes sei ein "entscheidender Faktor in dem Kampf, der im vergangenen Jahr in der größten Ost-West-Konfrontation seit dem Kalten Krieg stattgefunden habe", so Mousseau. Die Präsenz ausländischer Unternehmen wachse schnell. Bisher seien 1,6 Millionen Hektor durch ausländische Unternehmen übernommen worden.Monsanto, Cargill und DuPont seien schon länger in der Ukraine aktiv, aber ihre Investitionen hätten in den letzten Jahren stark zugenommen.
Westliche Unternehmen bekämen nicht nur die Kontrolle über profitable ukrainische Firmen, sondern würden zunehmend den Agrasektor in den Bereichen Infrastrukltur und Transport in den Griff bekommen. "Alle Aspekte der ukrainischenlandwirtschaftlichen Wertschöpfungskette ... werden somitzunehmend von westlichen Firmen kontrolliert.", stellt der Wissenschaftler fest. Die europäischen Institutionen und die US-Regierung hätten aktiv die Expansion vorangetrieben. "Es begann mit dem Druck für einen Regierungswechsel zu einer Zeit alsPräsident Janukowitsch als pro-russisch angesehen wurde. Dies wurde weiter vorangetrieben, beginnend im Februar 2014 durch die Förderung einer "pro-business"- Reformagenda, wie sie US-Handelsministerin Penny Pritzker beim Treffen mitMinisterpräsident Arseni Jazenjuk im Oktober 2014 beschrieb." Die EU und die USA würden Hand in Hand abreiten bei derÜbernahme der ukrainischen Landwirtschaft.
Es sei unklar, meint Mousseau, inwieweit die Ukrainer von dieser Welle der ausländischen Investitionen in ihre Landwirtschaftprofitieren und welche Auswirkungen diese Investitionen auf diesieben Millionen Bauern haben. Wenn sei eines Tages den Blick vom Konflikt im Osten des Landes abwenden würden, wundern die Ukrainer sich vielleicht, was übrig blieb von der Fähigkeit des Landes, seine Nahrungsmittelversorgung zu kontrollieren unddie Wirtschaft zu ihrem eigenen Vorteil zu betreiben. Die Bürger der USA und der EU werden vielleicht aus den Schlagzeilen von der "russischen Aggression" erwachen und sich fragen, welche Rolle ihre Regierung in diesem Konflikt spielten.
Siehe dazu auch den Beitrag "Ukraine wird “Kornkammer” für gentechnisch veränderten Getreideanbau" von Radio Utopie vom 29.1.15.

Herzlichen Dank an alle, die hier und an anderen Stellen weitere Hinweise, Anregungen und Informationen beigetragen haben und beitragen